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LR: 31.01.2011 - Cottbus: Kracher, Küsse und Konfetti
Cottbus: Kracher, Küsse und Konfetti
Der Karneval in seiner Brandenburgisch-Berliner Variante hat mediale Tradition.
Zum 15. Mal steppte am Samstagabend der Adler des Rundfunks Berlin Brandenburg mit Hunderten Mitwirkenden aus den beiden Bundesländern – Gäste aus Sachsen, Mac Pom und weiteren befreundeten Faschingshochburgen eingeschlossen.
Karneval ist eine ernste Sache: Er sieht leicht aus, und ist doch anstrengend.
Alle sind sie gekommen, um am Samstagabend zu zeigen, was sie fast ein Jahr lang geübt hatten - die Cottbuser, die Berliner, die Welzower, die Forster, die Finsterwalder, die Sacroer, die Golßener, das Gaglower Blümchen, die Schwärzefüße aus Eberswalde, Karnevalisten aus Großräschen, aus Annahütte, und aus Eberswalde.
Tollitäten und Prinzenpaare lassen bitten, Konfettikanonen feuern aus allen Rohren.
Kostüme und Beiwerk lassen Summen vermuten, mit denen man das Cottbuser Haushaltsloch stopfen könnte.
Berlin-Brandenburg - eine preußische Hochburg des ausgelassenen Frohsinns und der ungestümen Heiterkeit.
Na gut, nicht ganz.
Etwas Kabarett ist auch dabei, ebenso wie sportliche Höchstleistungen der Funkenmariechen, die Beine werfen können als hätten sie ein Praktikum beim chinesischen Staatszirkus absolviert.
Großartig fürs Auge: Tanz- und Showeinlagen auf Fernsehballettniveau der Damen in knappsten Kostümen und gelegentlich in Spitzenwäsche.
Can-Can kann nicht jeder.
Auch politische Spitzen gibt es nicht wenige.
Allen voran vom eingemeindeten Gaglower Blümchen.
Wie kommt der Cottbuser Oberbürgermeister auf seine großstädtische 100 000-Einwohner-Zahl: Er geht auf den Friedhof und ruft: Steh auf, wenn du ein Cottbuser bist!
Der Spitzen gibt es noch weitere in Richtung Dietmar Woidke.
Der Innenminister vertritt seinen Chef in Cottbus und hält sich tapfer, auch wenn er am Abend herhalten muss für das ministerielle Ringelspiel.
Immerhin war Woidke mit eigenem Wagen gekommen, wie mehrere Karnevalisten bezeugen.
Was kaum jemand weiß: Woidke geht in seinem heimischen Nachbarort Sacro (Spree-Neiße) auch gern mal in die Bütt und unterhält gut kostümiert unerkannt den ganzen Saal.
Außer von ein paar verkleideten Polizisten auf den hinteren Rängen kommt heute kaum Kritik an Platzecks Problemlöser.
Schwarz-Gelb bekommt ihr Lausitzer Fett weg, die Linke geht als Mielkes Resterampe durch.
Da lachen sogar die Ex-Tschekisten mit den großen Narrenkappen.
Zeitchen vergeht in der Lausitz.
Richtig böse wird es, als jemand fragt, ob der nächste Fallschirm für den Chefliberalen schon gepackt ist.
Männerballett geht immer, Schweinskram auch.
(Neu: Wenn ein Wetterfrosch so oft ein(en) Hoch bekommt, fällt er tief.
Auch Schwiegermutter muss wieder herhalten: Was schenkt Mann ihr am liebsten zum Geburtstag? Ein Stein, der deinen Namen trägt.
Auch die selbstbewusste Karnevalistin im besten Alter kommt zum (Ab)Schuss: Kommst du in die Wechseljahre, wechsle mal den Mann!
Der dramaturgische Höhepunkt ist die Annemariepolka - angeführt und vorgesungen von der Cottbuserin Kathrin Jantke, die die Cottbuser Narrenweiber in ihre Arme geschlossen haben, wo sie sie nicht mehr loslassen.
Küssen macht uns gar nichts aus - Rollentausch und Polkarausch.
Kathrin kann's.
Im Foyer spielen Guggenmusiker - in allemanischer Bläsertradition, die gekonnt immer etwas neben der Melodie liegt, den Kehraus.
Griechischer Wein. . . !
Hoffentlich geht das gut.
Nach 15 Jahren präsentiert sich der »Adler« als eine sehr gereifte Unterhaltungs-Sendung.
Mit stimmiger Regie und richtigem Konzept haben einheimische Vereine und Verbände die Möglichkeit, sich auf Profi-Niveau aufzuschwingen.
Der RBB geht in die (Sende)Fläche, dorthin wo oft in ausgedünnter Anzahl seine Zuschauer auf Sofas sitzen, die älter sind als der Sender selbst.
Wo sich junge Leute verflüchtigen wie brandenburgische Minister, da präsentieren die Karnevalsvereine mit privater und kommunaler Förderung oftmals das letzte Stück Kultur in den Dörfern und Gemeinden.
Bitte weiter machen.
»Heut' steppt der Adler« wird am 6. März um 20.15 Uhr im RBB gesendet.
Von Thomas Klatt
Die Landesmeister im Aktiven Gardetanzsport aus Schwarzheide, gemeinsam mit ihren Nachbarnarren beim großen Finalauftritt - die Lausitzgarde
Foto: LR